Die Dekonstruktion des Medientextes

Jedes Medienprodukt, welches wir im Unterricht behandeln, gilt für unsere Zwecke als 'Medientext'. Jeder Medientext, sei er fiktionaler Text oder nicht, ist ein künstliches Konstrukt, welches ein Bild von der Welt erschafft. Durch Auseinandersetzung mit der Triade Text-Publikum-Produzent können wir jeden Medientext 'dekonstruieren'.


Jedes Medienprodukt, welches wir zum Zentrum der Betrachtung im Unterricht machen möchten, verstehen wir als 'Medientext'. Es kann sich dabei um ein Fernsehprogramm, ein Buch, ein Plakat, einen populären Song oder eine neue Mode handeln. Wir besprechen mit den SchülerInnen, um welche Art von Text es sich handelt - einen Zeichentrickfilm, ein Musikvideo, ein Märchen, einen Krimi usw. und wie dieser Medientext sich von anderen unterscheidet. Wir identifizieren die denotative Bedeutung. Wir analysieren die Erzählstruktur, wie Bedeutungen kommuniziert werden, welche Werte und Haltungen dem Text implizit sind und setzen ihn mit anderen Medientexten in Beziehung.

Für das Verständnis zentral ist die Vorstellung, dass jegliche Kommunikation, jeder Diskurs ein gestaltetes Modell der Wirklichkeit darstellt. Jede Beschreibung oder Darstellung, sei sie fiktional oder "realistisch," bedeutet einen Versuch, Realität zu deuten oder definieren. In der Darstellung wird eine Auswahl gezeigter Elemente getroffen und diese werden neu geordnet. Sie zeigen die Sicht, die Perspektive des Autors oder Gestalters auf die Welt. Es gibt keine neutrale oder wertfreie Beschreibung der Realität, weder durch das Wort noch durch das Bild.

Diese Position ist Voraussetzung und Ausgangspunkt für jegliche kritische Auseinandersetzung mit den Medien. Sie führt zu drei breiten Feldern der theoretischen Betrachtung, durch welche SchülerInnen und StudentInnen Medientexte dekonstruieren lernen: Text, Produzent und Rezipient: Mehr dazu auch hier:
Darstellung/Repräsentation

Jeder der einen Medientext rezipiert, sei es indem er alleine ein Buch liest oder mit anderen einen Film im Kino sieht, ist ein Teil des Publikums. Die SchülerInnen sollen das Publikum eines Medientextes erkennen und benennen können. Oft werden Medientexte hergestellt, um ein bestimmtes Zielpublikum zu finden, um den Zugang zu dem Publikum dann an die Werbeindustrie zu verkaufen.

Zeitgenössische Kommunikationstheorien lehren, dass das Publikum die Bedeutung eines Textes "aushandelt". Das bedeutet, dass jeder individuelle Rezipient eines Textes von einer Reihe von möglichen Bedeutungen eine bestimmte Lesart entwickelt, die seine persönliche Disposition, sein Geschlecht, Rasse, Bildungsgrad und den kulturellen Hintergrund widerspiegelt.

Daher ist die "Bedeutung" eines Textes nicht etwas, dass von den Kritikern, Lehrern, ja nicht einmal von den Autoren festgelegt ist, sondern sie entsteht durch eine dynamische und wechselhafte Beziehung zwischen Text und Rezipient. Die Rolle des Lehrers oder der Lehrerin liegt darin, den SchülerInnen dabei zu helfen, die Fähigkeit zu entwickeln, verschiedene mögliche Bedeutungen und Lesarten eines Textes und auch Werte und Vorurteile, die in diesen mitschwingen, zu erkennen. Die SchülerInnen werden so zu eigenen Lesarten ermächtigt, die auch auf bewussten Entscheidungen beruhen, und nicht nur auf der unbewussten Akzeptanz von dominanten Lesarten. Mehr dazu in
Publikum/Rezipient

Institution und Produktion beziehen sich auf all das was zur Entstehung eines Medientextes beiträgt: die Technologie, die Eigentumsverhältnisse, die ökonomischen Zusammenhänge, die Institutionen, der rechtlichen Aspekte, die Rolle von allgemein anerkannten Normen und Praktiken, die verschiedenen Aufgaben und Rollen im Produktionsprozess.

SchülerInnen sind oft fasziniert von den Details und "Tricks" der Medienproduktion. Es ist die Aufgabe des Lehrers, der Lehrerin auch bei der Behandlung von Aspekten der Produktion nicht die Bereiche "Text" und Publikum" aus den Augen zu verlieren. Besteht eine Beziehung zwischen Inhalt und kommerziellen Interessen? In welchem Bezug stehen Eigentümerschaft und Kontrolle und die kommunizierten Werte? Inwieweit bestimmt die Technologie, das was wir sehen? Inwieweit determinieren die Produktionskosten, wer Medien produzieren kann, und welche Medieninhalte produziert werden? Durch eigene praktische Medienarbeit können die SchülerInnen wertvolle Einsichten gewinnen. Mehr dazu in
Institution/Produktion und Technologie

Dies sind die Grundprinzipien der Medienbildung. MedienABC zeigt ihnen auf vielen weiteren Seiten, wie Sie als Lehrer oder Lehrerin mit diesen Grundprinzipien als konzeptionelles Gerüst arbeiten können.

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penbookGrundkonzepte

Bei der Diskussion jedes Medientextes im Unterricht sollten Aspekte der Grundprinzipien Darstellung/Repräsentation, Institution/Produktion, Publikum/Rezipient und Sprache/Gestaltung behandelt werden. Als Lehrer oder Lehrerin werden sie feststellen, dass es leicht ist, in der Diskussion auf diese verschiedenen Bereiche einzugehen, da sie alle miteinander in Beziehung stehen und aufeinander Einfluss haben.

Der konzeptionelle Rahmen, den die Grundprinzipien bieten, ist leicht zu verstehen, leicht zu merken und leicht in der Unterrichtspraxis anzuwenden. Als Konzept ist er leicht im Kopf zu behalten, aber dennoch anspruchsvoll genug, um auch differenzierte Analysen zu ermöglichen und die Beziehungen von komplexen Faktoren aufzuzeigen. Die Grundprinzipien bieten ein so flexibles Modell, dass sich auf jede Art von Medienprodukt anwenden lässt. Manche LehrerInnen verwenden dieses Modell auch im Sprach- und Literaturunterricht.

Medienbildung umfasst idealerweise sowohl die Analyse wie auch die Produktion von Medientexten, die Grundprinzipien
Darstellung/Repräsentation, Institution/Produktion, Publikum/Rezipient und Sprache/Gestaltung kommen sowohl in der theoretische-analytischen wie in der praktische-kreativen Auseinandersetzung zum tragen.

Source: Übersetzt und adaptiert von: English Quarterly, vol. 25, nos. 2-3. Canadian Council of Teachers of English and Language Arts. Toronto, Ontario, 1992.